T’ai Chi Ch’uan (abgekürzt Taichi) oder auch Taijiquan (kurz Taiji) ist ein taoistisches Übungssystem aus dem alten China und eine innere Kampfkunst. Kennzeichnend für T’ai Chi Ch’uan sind die langsamen, gleichförmigen, runden, und harmonischen Bewegungen. Der Körper ist entspannnt und aufrecht, er bewegt sich stets in einer Einheit und aus der Mitte heraus.
Nicht nur für Anfänger ist ein regelmäßiges Üben der Form von großer Bedeutung. Die Form ist ein vorgegebener Bewegungsablauf und besteht aus einer Anfangsposition, verschiedenen Zwischenpositionen, Übergängen, und der Schlussposition. In jeder Bewegung sind Übergänge zu verschiedenen Anwendungen von Angriffs- und Verteidigungshaltungen enthalten. Die Haltung der Arme wechselt stets zwischen Abwehrarm und Angriffsarm.
Ein gutes Taichi kann schon bei dem ersten Üben spürbar auf alle möglichen Symptome positive Auswirkungen haben, im Gegensatz zu anderen spirituellen Praktiken sind jedoch in der Regel keine intensiven Durchbrüche während eines einzelnen Tagesseminars möglich. Solche Durchbrüche sind auch in der Regel nicht erstrebenswert, denn die betroffenen Personen können meistens nicht gut damit umgehen und sind oft damit überfordert. Stattdessen wirkt sich ein langjähriges tägliches Üben von Taichi stetig positiv auf alle Bereiche des menschlichen Wesens aus und fördert die Harmonisierung und Integration von Körper, Geist und Seele auf eine langsame und schonende Art. Taichi wird deswegen auch als ein sanftes Übungssystem bezeichnet. Alle Weisheiten aus dem Taoismus, wie zum Beispiel der Ying und Yang Philosophie, sind darin enthalten und wirken bei dem Üben, auch ohne deren Kenntniss.
Der wirkliche Ursprung von Taichi ist nicht bekannt und von vielen Legenden umwoben. Eine Legende geht zurück in die Ming-Dynastie. Manche behaupten sogar, dass eine Legende zurück bis in die Song-Dynastie geht. Diese Legende handelt von Zhang Sanfeng, einem damals lebenden, über einhundert Jahre alten taoistischen Mönch. Dieser beobachtete angeblich einen spielerischen Kampf zwischen einer Schlange und einem Vogel.
Die ersten uns bekannten Überlieferungen stammen jedoch aus der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts und kommen aus der Chen-Familie. Auf diese Familie geht der Chen-Stil zurück. Die Chen-Familie hat das Wissen um die Kampfkunst damals nur innerhalb der eigenen Familie weitergegeben. Im neunzehnten Jahrhundert kam Yang-Luchan bei der Chen-Familie vorbei. Er ist bekannt als der Gründer des Yang-Stils. Dieser wollte von der Chen-Familie unterrichtet werden. Also hat er sich dafür beworben bei der Chen-Familie im Haushalt auszuhelfen. Als dieser dort seine Haushaltsarbeit beginnen durfte, beobachtete er die Familie heimlich beim Üben. Er begann das Taichi der Chen-Familie nachzuahmen. Dies ist dem Vater der Chen-Familie, welcher den Unterricht in seiner Familie angeleitet hat, irgendwann aufgefallen. Doch anstatt das Geheimnis um das Taichi weiter ausschließlich in der eigenen Familie zu bewahren, Yang-Luchan zu entlassen und davon zu schicken, erfreute sich der Vater über das Interesse und der gekonnten Bewegungen von Yang-Luchan. Also wurde dieser in die Kampfkunst eingewiesen. Über Yang-Luchan, sein Spitzname war “Der Unbesiegbare“, wird gesagt, dass er das Taichi “nach oben“ gebracht hat. Denn durch seine, im Gegensatz zum Chen-Stil, nur minimal angewinkelte Haltung der Knie, und seine aufrechte Haltung beim Üben wird der Chi Fluss in einem großen Maß verstärkt. Jedoch sind aus dieser Zeit keine Zeichnungen der Form und keine schriftlichen Dokumente, aus denen man die Übungen ableiten könnte, überliefert.
Ein hohes taoistisches Prinzip beim Üben des Taichi ist das “Wu-Wei-Prinzip“, was soviel bedeutet wie “Handeln durch Nichthandeln“. Diesem Prinzip kann man sich durch ein langjähriges tägliches Üben immer weiter annähern. Der Körper soll nicht durch äußere muskuläre Anspannungen bewegt und gehalten werden, sondern durch eine innere Aufrichtung und eine geistige Ausrichtung dem das Chi, und dann auch der Körper folgen kann. Ein in diesem Zusammenhang bekannter Spruch von Yang Cheng Fu, von dem die ersten uns überlieferten Zeichnungen der langen Form des Yang-Stils angefertigt wurden, lautet: “Die vom Geist geführte Bewegung gleicht dem Ziehen eines Seidenfadens aus einem Kokon“. Wird der Seidenfaden zu schnell gezogen, dann reißt er. Wird er zu langsam gezogen, dann verheddert er sich. So, oder so ähnlich, “verheddert“ sich auch die geistige Ausrichtung und das Chi, wenn der Körper die Bewegung anführt und dominiert. Eine harmonische Bewegung entsteht erst, wenn der Körper in absoluter Leichtigkeit bewegt wird. Nicht dann, wenn die Muskulatur und der Körper die Bewegung dominiert. Dies ist nicht schwer zu erlernen und hat viele positive Wirkungen auf den Übenden. Taichi fördert die Elastizität der feinen Gewebe im Körper, wie zum Beispiel der Sehnen, der Bänder und der Faszien. Außerdem richtet das Üben den Körper langsam aus, fördert die Flexibilität und entspannt die Muskulatur. Der meditative Aspekt stärkt die innere Ruhe und hilft bei Stress und Anspannungen. Die positiven Auswirkungen eines regelmäßigen Übens sind zahlreich.
Über die letzten Jahrzehnte sind viele verschiedene Stile im Taichi entstanden. An dieser Stelle sei noch der Wu-Stil erwähnt. Dieser ist aus dem Yang-Stil hervorgegangen und hat eine weite Verbreitung in den Niederlanden erfahren. Die Yang-Familie und die Wu-Familie sind dafür bekannt, dass diese sehr oft gemeinsam geübt und ihr Wissen untereinander ausgetauscht haben. Bis heute gilt der Yang-Stil als der am weitesten verbreitete Taichi Stil in China.